Du gehörst dazu - Ehrenamt beglückt
Ehrenamt ist somit nicht nur gut für die Gesellschaft, sondern auch für die Engagierten selbst. Bei all den Alltagsärgernissen: Ehrenamt bringt Glück.
Glückspsychologisch erwiesen: Ehrenamt beglückt
Mecky, ein älterer Bekannter des Verfassers, macht stets einen sehr glücklichen Eindruck: Verschmitztes Lächeln, Schalk in den leuchtenden Augen. Das Geheimnis seines Glücks? Viel ehrenamtliche Tätigkeit!
Er bildete, neben seinem Beruf, Jugendliche für die Wasserrettung aus, engagierte sich als Einsatzfahrer beim Roten Kreuz, saß in vielen Sitzungen des Pfarrgemeinderates und füllte bei den Pfarreifesten unzählige Humpen mit schäumendem Bier. Als er pensioniert wurde, begann er, gehbehinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern Essen auf Rädern vorbeizubringen.
Mecky ist kein Einzelfall. Ehrenamt, definiert als Aktivität, in der Menschen aus freien Stücken ihre Zeit und ihre Fähigkeiten einsetzen, um anderen Personen oder Institutionen nützlich zu sein, macht Menschen glücklicher.
Das ist eines der stabilsten Ergebnisse der jüngeren Glücksforschung. Ein schlagender Beweis dafür ist ein historisches Ereignis: Die Auflösung der ehemaligen DDR. In dieser hatten sich viele Bürger(innen) ehrenamtlich engagiert, sei es in Sportclubs, die mit Staatsbetrieben verbunden waren, sei es in politischen Vereinen. Aufgrund der Wende und der Demontage der SED-Strukturen verloren viele Menschen die Möglichkeit, ihre Mannschaften zu trainieren etc. Bei diesen sank in den folgenden zwei Jahren die subjektiv eingeschätzte Lebenszufriedenheit überzufällig ab, auf einer Skala von 10 (extrem glücklich) bis 0 (extrem unglücklich) von 6,8 auf 6,0. Zwar ging, aufgrund vieler Wendeverluste, die Zufriedenheit auch bei den anderen ehemaligen DDR-Bürgern zurück, aber bei weitem nicht so stark.
Im "Deutschen Sozioökonomischen Panel" wurden in den letzten Jahren um die 24‘000 Bürger(innen) nicht nur gefragt, wie glücklich sie ihr bisheriges Leben einschätzen, sondern - nebst vielem anderen - auch: "Haben Sie in der letzten Zeit Freiwilligenarbeit geleistet?" Wer verneinte, hatte einen deutlich niedrigeren Zufriedenheitswert als diejenigen, die beispielsweise regelmäßig für die Feuerwehr proben oder in einer Liturgiegruppe einen Kindergottesdienst vorbereiten.
Aber könnte nicht sein, dass Ehrenamtliche über mehr Zeit und über stärkere Ressourcen verfügen, gesünder und leistungsfähiger sind, und deswegen glücklicher sind, und nicht aufgrund der Freiwilligenarbeit? Aber auch dann, wenn alle diese Faktoren statistisch kontrolliert werden, bestätigt sich, was der renommierte Glücksökonom von der Universität Zürich, Bruno Frey, so zusammenfasste: "Die Hypothese, wonach Freiwilligenarbeit mit höherem Glück verbunden ist, wird eindeutig bestätigt."
Ein weiterer möglicher Einwand: Ehrenamt ist nicht ursächlich für mehr Glück, vielmehr sei es der Fall, dass Menschen, weil sie schon fröhlicher sind, sich wahrscheinlicher für die Allgemeinheit engagieren. In der Tat: Menschen in heiterer Stimmung sind eher bereit anderen Menschen Wohltaten zukommen zu lassen. Der Verfasser kennt das von sich selbst im morgendlichen Pendlerstau. Ist die Laune gut, wird der rechts wartende Pkw in die Kolonne hineingewinkt; ist die Stimmung mies: So nahe an das Heck des vorausfahrenden Wagens, dass ein Einfädeln unmöglich ist.
Dennoch gibt es überzeugende Indizien, dass Ehrenamt ursächlich ist für mehr Glück: Ein Experiment des bekannten Positiven Psychologen Martin Seligman. Er ließ Studierende Glücksfragebogen ausfüllen und bildete hernach zwei vergleichbare Gruppen. Die Mitglieder der ersten ließen sich motivieren, jeden Tag unentgeltlich drei gute Taten zu verrichten - für die betagte Nachbarin einkaufen gehen, einem Kommilitonen in Statistik helfen etc. etc. - diejenigen der Kontrollgruppe taten nichts dergleichen. Als sechs Monate später die gleichen Fragebögen wieder ausgefüllt wurden, zeigte sich: Die erste Gruppe hatte signifikant höhere Glückswerte, in der zweiten blieben sie konstant.
Aber warum beglückt ehrenamtliche Tätigkeit, obschon sie an den Kräften zehren kann? Ein erster Grund ist Freiwilligkeit. Wenn Menschen andere pflegen müssen, etwa Familienangehörige, weil es sich so gehört oder weil ein Pflegeplatz unerschwinglich ist, erzeugt dies Stress. Wenn Menschen andere pflegen wollen, erhöht dies nachweislich das Wohlbefinden. Wir Menschen sind so gewickelt, dass wir jeweils ausführen, was wir wollen. Werden wir unter Druck gesetzt, was auch sehr ‚freundlich‘ geschehen kann - "Sie sind jetzt mal so nett und tun …" - dann erzeugt dies Reaktanz. Wir alle haben nicht nur ein tiefsitzendes Bedürfnis, irgendwo und irgendwie dazuzugehören, sondern auch, selber zu bestimmen, und dies lebensgeschichtlich früh. "Will selber!" fordern mitunter bereits Vierjährige ein. Schon der große Philosoph Aristoteles legte dar: Menschen werden vor allem durch jene Aktivitäten glücklich, die sie um ihrer selbst willen verrichten.
Beglücken können auch die Ergebnisse ehrenamtlicher Tätigkeit: Jungen, die nach einem Fußballsieg ihren Trainer anhimmeln - das erzeugt berechtigten Stolz, steigert Motivation. Oder wenn ein älterer Pensionist, nachdem er das warme Mittagessen entgegengenommen und aus tiefem Herzen "Danke" gesagt hat - auch das beglückt. Ehrenamtliche Tätigkeit erweitert oft die sozialen Netzwerke der so Handelnden, die von ihren Mitmenschen als sympathischer und vertrauenswürdiger wahrgenommen werden - Vertrauen ist ein starkes Korrelat von Glück. Und nicht zuletzt: Ehrenamtliche Tätigkeit, wird von Millionen Menschen geleistet und ist unmöglich zu bezahlen, stabilisiert die gesellschaftlichen Verhältnisse und erhöht Solidarität. Menschen in solchen Lebensumständen sind generell glücklicher als in misstrauischen Gesellschaften, in denen jeder gegen jeden ist. Warum aber beschreiten nicht (noch) mehr Menschen diesen Königsweg zum Glück? Dem schon erwähnten Glücksökonomen Frey zufolge, "weil Menschen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Befriedigung aus zukünftigen Tätigkeiten korrekt vorauszusehen." Viele überschätzen den Glückseffekt von materiellen Faktoren, etwa mehr Geld, bzw. unterschätzen, wie heilsam es sein kann, Gutes zu tun, für die davon Beschenkten gleichermaßen wie für die Beschenkenden. Möge dieser Band dazu beitragen, dass diese glückspsychologisch abgesicherten Erkenntnisse weite Verbreitung finden.
O. Univ. Prof. Mag. Dr. Anton A. Bucher, Leiter Fachbereich Praktische Theologie Religionspädagogik, Universität Salzburg
Publiziert in: Mission MitMensch! Agentinnen und Agenten der Nächstenliebe, Jan. 2020
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1 www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/immer-mehr-menschen-engagieren-sich-ehrenamtlich/ (zuletzt zugegriffen 22.10.2019)
2 Überblick, Bucher, A.: Psychologie des Glücks, 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Weinheim 2018.
3 Frey, B.: Glück. Die Sicht der Ökonomie, Zürich 2010, S. 104.
4 Ebd. S. 107