Sozial und digital - Digitalisierung im Sozialen Ehrenamt
Diözesan-Caritasdirektorin in Essen
Eine fragte mich am Schluss der Veranstaltung: "Ich möchte mich gerne bei der Caritas engagieren. Wie kann ich das machen?" Die Dame wohnte in Norddeutschland, und so erläuterte ich ihr unsere Strukturen und an wen sie sich dort wenden könnte. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das passt nicht. Ich wohne auf einem abgelegenen Dorf. Ich dachte mehr an eine Beschäftigung im Internet. Das macht mir Freude. Außerdem ist das ortsunabhängig."
In dieser kurzen Begegnung stecken schon eine Reihe der Herausforderungen, die grundsätzlich durch den digitalen Wandel hervorgerufen werden.
Dabei ist die Diskussion um das "neue" Ehrenamt ja nicht fremd. Thomas Rauschenbach konstatiert bereits 1991 im Rahmen einer Studie: "Das soziale Ehrenamt hat seine Konturen verloren." Richtiger wäre wohl zu sagen, es hat sein Klischee verloren: die 50-jährige Frau, die, nachdem die Kinder aus dem Haus sind und da sie finanziell über den Mann abgesichert ist, sich ehrenamtlich engagiert, also freiwillig, ohne Bezahlung, ohne unmittelbare formale Qualifikation und eingebunden in die Kirchengemeinde (also in eine Gruppe Gleichgesinnter). Dieses Bild, so es denn je für eine Mehrheit gestimmt haben sollte, entspricht den heutigen Konturen des sozialen Ehrenamtes jedenfalls nicht mehr. Und dennoch verhalten wir uns häufig in unserer Ansprache an Ehrenamtliche so, als gälte dieses alte Bild noch.
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie lassen sich jedoch so zusammenfassen:
Die neuen Freiwilligen
- wollen sich schnell und projektbezogen einsetzen,
- nicht mehr nur Gratis-Arbeit leisten, sondern mitdenken und mitbestimmen und
- Projekte hierarchiefrei verhandeln und entwickeln.
Also bestens, denn laut des Freiwilligensurveys 2014 steigt der Anteil freiwillig engagierter Menschen und die Bereitschaft, sich zukünftig zu engagieren ist groß.
Was muss sich ändern?
Zurück zum einführenden Beispiel: Wir müssen uns darauf einstellen, dass die zunehmend smartphon-verliebte Menschheit in einer solchen Situation ihr Handy zückt, das Gegenüber in einem sozialen Netzwerk sucht und sich vernetzt. Das ist der erste Schritt. Jetzt kann in einem zweiten Schritt ein spielerischer Test über einen Messenger verschickt werden, der dem Nutzer leicht erklärt, welche Ehrenämter ihm oder ihr Freude machen werden. Das Spiel führt zu einem Ehrenamtsportal mit einer Auswahl an Projekten, in die er gleich einsteigen kann. Begleitend gibt es Online-Kurse, die mit einem Zertifikat abschließen. So oder so ähnlich, jedenfalls leicht und spielerisch sollte es zugehen.
Und schon während ich diesen Fachartikel schreibe, denke ich, wäre es nicht besser, einen Blogartikel zu verfassen und wenn ja, worin würde er sich unterscheiden? Nun, zum Beispiel darin, dass ich die Quellen gleich verlinken könnte. Wissen und Informationen verbreiten sich in Windeseile und in Echtzeit. Während ich noch schreibe, ist es schon fast veröffentlicht, wird weiterverwendet, geteilt, initiiert, animiert und verändert die Gesellschaft.
Ja, wo bleibt denn da der Mensch?
Das ist die uralte Frage beim Thema Ehrenamt. Es kann doch nicht nur Ehrenamtliche geben, die im Netz unterwegs sind. Es muss doch auch die geben, die sich um die Alten, Schwachen, Kranken, Ausgegrenzten kümmern. Ja, klar!
Aber eben auch digital. Obdachlosenzeitungen werden zukünftig dann Abnehmer haben, wenn sie bargeldlos bezahlt und papierlos gelesen werden können. Google hat schon eine entwickelt.
Hannes Jähnert hat in seinem Blog den Beitrag "Digitales Ehrenamt in Deutschland" geschrieben, der eine gute Übersicht liefert, welche produzierenden Tätigkeiten durch Online-Volunteering denkbar sind.
Gute Beispiele hierfür sind auch unsere Aktionen rund um YoungCaritas oder "Sach wat! Tacheles für Toleranz". Hier finden BarCamps, Flashmobs und andere Aktionen statt, die zu einer gemeinsamen Sache einladen. Ohne die Nutzung digitaler sozialer Netzwerke sind Chancen vertan. Facebook, Instagram, Twitter und Co. laden ein, sich in Gruppen zu organisieren. Die sozialen Medien sind Kontaktbörsen. Es geht dabei weniger um die klassische Gewinnung von Ehrenamtlichen für eine Beschäftigung. Es geht um die Begeisterung für eine gute Sache, mit der man gemeinsam etwas bewegen will.
Fazit
1. Freiwilligenarbeit ist eine crossmediale Angelegenheit!
2. BarCamps, Flashmobs und Events lösen die guten alten Traditionen ab!
3. Digitale Plattformen sind ein Muss!
4. Aktionen und Projekte machen Lust auf mehr!
5. Eine neue soziale Bewegung ist manchmal schlicht ein Hashtag!
Publiziert in: Digital ist nicht egal - Soziales Ehrenamt in einer digitalen Gesellschaft, Jan. 2019.
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1 Ein BarCamp ist ein Veranstaltungsformat aus dem Silicon Valley, um neue digitale Entwicklungen zu fördern. Das SozialCamp fördert neue (digitale) Entwicklungen in der sozialen Arbeit. https://sozialcamp.de
2 Rauschenbach, T. (1991). Gibt es ein "neues Ehrenamt"? Zum Stellenwert des Ehrenamtes in einem modernen System sozialer
Dienste. Sozialpädagogik, 33 (1), S. 2-10. www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/3905/ssoar-sozpaed-1991-1-rauschenbach-gibt_es_ein_neues_ehrenamt.pdf?sequence=1
3 Die neuen Freiwilligen
www.gdi.ch/de/Think-Tank/Studien/Die-neuen-Freiwilligen/823
4 Freiwilliges Engagement in Deutschland - Zentrale Ergebnisse des Deutschen Freiwilligensurvey 2014. www.bmfsfj.de/blob/93914/e8140b960f8030f3ca77e8bbb4cee97e/freiwilligensurvey-2014-kurzfassung-data.pdf
5 Google stellt Obdachslosenzeitung auf digitales Zeitalter um.
http://winfuture.de/news,86697.html
6 Digitales Ehrenamt in Deutschland.
/www.hannes-jaehnert.de/wordpress/2017/11/14/digitales-ehrenamt-
online-volunteering-in-deutschland-eine-summary/
7 youngcaritas.
https://youngcaritas.ruhr
8 Sach wat! Tacheles für Toleranz.
www.caritas-essen.de/aktuelles/projekte/sachwat/sachwat