Elisabeth von Thüringen – eine ver-rückte Heilige
Als Elisabeth so alt war wie ich es heute bin, war sie schon 31 Jahre tot. Sie hatte nicht die Chance gehabt alt zu werden. Sie war wie die Flamme einer Kerze, die so hell brannte und so viel Wärme aus-strahlte, dass sich ihr Wachs schnell verzehrte. Alles ging schnell in ihrem Leben.
Mit vier Jahren kam sie, die Königstochter, 1211 aus ihrer ungarischen Heimat nach Thüringen. 1221 heiratete sie mit 14 Jahren den 21-jährigen Landgrafen Ludwig. Sie bekamen drei Kinder. Gemeinsam gründeten sie 1223 ein Hospital in Gotha. 1226 kam ein Hospital am Fuße der Wartburg hinzu, in dem sie selber Dienst tat.
Im Hungerwinter 1225/26 öffnete sie die landgräflichen Kornkammern. Ihr Mann, der zu der Zeit in Italien bei Kaiser Friedrich II. war, bestätigte ihr Handeln gegen die Kritik aus seiner Familie.
Am 12. September 1227 starb Ludwig. Ohne den Schutz ihres Mannes lebte sie, von der landgräflichen Familie verstoßen, unter erniedrigenden Bedingungen im Winter 1227/28 in Eisenach. Einem persönlichen Schutzbrief von Papst Gregor IX ist es zu verdanken, dass ihr Beichtvater, Konrad von Marburg, eine Entschädigung für ihr Witwengut verhandeln konnte. Mit diesem Geld baute sie im Sommer 1228 ein weiteres Hospital in Marburg. Hier arbeitete sie als Spitalschwester bis zu ihrem Tod. Mit nur 24 Jahren starb sie am 17. November 1231. Dreieinhalb Jahre später wurde sie am 27. Mai 1235 von Papst Gregor IX heiliggesprochen.
Vieles in ihrem Leben ist uns heute fremd und schwer verständlich. Das Leben einer regierenden Landgräfin aus königlichem Hause; die Askese der Armenfrömmigkeit; der Gehorsam gegenüber einem überaus strengen Beichtvater; die knallharte Konsequenz der Entscheidungen. Die mittelalterlichen Umstände ihres Lebens können uns den Blick verstellen. Wofür sollen wir sie heute noch verehren? Ich schreibe bewusst verehren, weil bei den Heiligen etwas von Gottes Wesen sichtbar wird. Was ist das bei ihr?
Sie liebte die Armen, und sie verachtete den Reichtum. Sie schützte die Schwangeren und die Gebärenden. Sie liebte die Kinder der Armen. Sie schenkte leprakranken Kindern Spielsachen. Einen gelähmten Jungen trug sie in Marburg mehrfach in der Nacht auf den Abort und reinigte immer wieder sein Bett. Sie veranstaltete ein "Fest der Armen" in Marburg, bei dem sie ein Viertel ihres Witwenvermögens verschenkte. Eine gut vorbereitete Aktion mit ca. 1000 Bedürftigen. Sie trug verletzendes Verhalten anderer ihr gegenüber nicht nach. Sie vertraute darauf, dass Gott sie schützen und führen würde - auch ohne ihre Machtstellung und mitten in einer gewalttätigen Welt.
Totales Gottvertrauen und totale Hingabe für die Armen. Ein Leben, das nur auf die Liebe setzt und dafür alles andere fahren lässt. Schwach und verrückt oder? Wie Gott. "Das Verrückte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen", schreibt der Apostel Paulus (1 Kor. 1,25). Wer von der Liebe Gottes berührt wird wie Elisabeth, der wird ver-rückt. Er wird aus der Mitte seines bisherigen Lebens weg-gerückt. Die Mitte seines Lebens ändert sich, die Prioritäten ändern sich. Von außen ist so ein Mensch verrückt, von Innen geht es um die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Ihr Engagement für die Caritas, die viele Zeit, die Sie investieren, ein wenig ver-rückt ist?
Pfarrer Dr. Christian Schmitt
Geistlicher Begleiter CKD-Diözesanverband Münster