Ehrenamt 4.0
Auch das Ehrenamt verändert sich, wie viele LandFrauen inzwischen merken, denn immer mehr wird digital erledigt. Wir speichern unsere Daten in einer Cloud, so dass sie von überall und für alle Aktiven zugänglich sind. Wir arbeiten online gemeinsam an einem Dokument. Die Vereinsnachrichten kommen nicht mehr mit der Post nach Hause, sondern per E-Mail als Newsletter auf den Computer oder das Smartphone. Politische Interessen untermauern wir mit Online-Kampagnen. Wir zeigen über Facebook, was wir im Ehrenamt alles auf die Beine stellen.
Zukunftsmusik? Teilweise ja, teilweise sind wir aber bereits mitten im Prozess der digitalen Transformation. Denn die Weitergabe und das Teilen von Wissen verändern sich. Die Digitalisierung schafft dadurch eine neue Form der demokratischen Beteiligung, weil Mitwirkung digital einfacher zu organisieren ist.
Der digitale Wandel bringt mehr mit sich als vereinfachte Organisation und Kommunikation. Er verändert auch Verwaltungsprozesse. Die Anforderungen an ein Ehren-amt werden daher bald nicht mehr dieselben sein.
Strategische Digitalisierung des Ehrenamts
Vor allem bringt dieser Wandel eines mit sich: die Not-wendigkeit, eine Strategie zu entwickeln, wie Verbände, Vereine und die vielen weiteren Ehrenamtlichen langfris-tig mit dem Thema Digitalisierung umgehen wollen. Wie viele andere Organisationen öffnen sich die LandFrauen dem Thema langsam, denn einige wichtige Fragen sind abzuwägen. Wie viel Digitalisierung können wir umset-zen, ohne Engagierte zu verlieren? Und wie viel müssen wir umsetzen, um nicht abgehängt zu werden?
Um eine Strategie zu entwickeln, muss man sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Doch oft fehlt besonders auf den Orts- und Kreisebenen die Bereit-schaft dazu, da die Relevanz für die eigene Arbeit nicht klar ist und Traditionen neue Entwicklungen hemmen. Finanzielle und personelle Ressourcen fehlen ebenso wie Expertise, Erfahrung und Wissen. Die Dynamik im Bereich Digitalisierung erschwert einen Kompetenzauf-bau zusätzlich. Satzungen aus analogen Zeiten tragen oft dazu bei, dass Neuerungen nur mit viel Aufwand eingeführt werden können. Hier ist Mut zur Anpassung von Regularien notwendig. Eine einzelne Person kann sich da nur schwer durchsetzen. Umso mehr ist die Zivilgesellschaft gefragt, also auch die LandFrauen in ganz Deutschland, um das Ehrenamt gestärkt in die Zukunft zu führen.
Wandel mit Diskriminierung?
Insbesondere im ländlichen Raum, wo vielerorts noch gar nicht digital gearbeitet werden kann, weil die Anbin-dung zu schlecht ist, werden Menschen durch die Digi-talisierung aber auch ausgeschlossen. Diejenigen, die beispielsweise aus Alters- oder finanziellen Gründen nicht am Wandel teilhaben wollen oder können, dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
Eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft wird dabei sein, alle mitzunehmen. Deshalb ist für uns als Bildungsträger auf dem Land das Thema Digitalisierung besonders wichtig.
LandFrauen als Vorreiter
Mehr als 12.000 LandFrauenvereine setzen sich mit dem digitalen Wandel auseinander – einige haben dafür bereits eigene innovative Lösungen entwickelt.
Die LandFrauen-App des LandFrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern
Neuigkeiten und andere aktuelle Meldungen landen in der „LFV WüHo“-App auf direktem Weg als Push-Nachricht auf dem Smartphone oder Tablet der Abonnentinnen. Außerdem können sich Interessierte über die App direkt zu Veranstaltungen anmelden.
Der Landesverband ist außerdem auf vielen weiteren Social-Media-Plattformen vertreten. Mit Tweets, Hash-tags und Posts in Form von Videos und Fotos begleitet der Verband aktuelle Themen. Über alle Kanäle sind die LandFrauen mit ihren Mitgliedern, Politikern, Journalisten und anderen Verbänden im Gespräch.
Gerade jüngere Frauen können auf diesem Weg gut er-reicht werden, die LandFrauen schulen aber auch regelmäßig Interessierte aus allen Altersgruppen zum Umgang mit den sozialen Medien.
Die SeniorenBotschafterinnen des Bildungs- und Sozialwerks des LandFrauenverbandes
Württemberg-Baden
Schulungen werden seit dem Sommer 2016 in Württemberg-Baden auch von 40 LandFrauen angeboten, die zu SeniorenBotschafterinnen für neue Medien aus-gebildet sind. Die SeniorenBotschafterinnen haben das nötige Know-how erhalten, um eigenständig Einstiegskurse für das Tablet für Frauen durchzuführen. Dabei geht es nicht nur um Anwendungen und Aspekte der Sicherheit, auch technische Fragen werden für Anfängerinnen und Fortgeschrittene aufgearbeitet. Die aus-gebildeten SeniorenBotschafterinnen stehen den Orts-vereinen als Referentinnen zur Verfügung.
Forderungen des Deutschen LandFrauenverbandes
Die Bundesregierung muss ein Programm mit einem ei-genständigen Förderrahmen und ausreichend Mitteln zur Digitalisierung im Ehrenamt auflegen. Forschungs-vorhaben, Modell- und Pilotprojekte und vor allem auf die Organisationen zugeschnittene Bildungsprogramme müssen ermöglicht werden, denn niemand kann im Moment davon ausgehen, dass alle Ehrenamtlichen in Deutschland in der Lage sind, mit den Neuerungen der Digitalisierung umzugehen. Sie benötigen neben Hard- und Software auch Know-how. Der dlv fordert ein Bundesprogramm Ehrenamt 4.0, insbesondere da der Koalitionsvertrag eine professionelle Begleitung von Organisationsentwicklungsprozessen in Vereinen und Verbänden vorsieht.
Der Dialog zum digitalen Wandel muss um die Folgen für das bürgerschaftliche Engagement und die Vereinsarbeit in Deutschland erweitert werden. Ohne Stimmen aus der Zivilgesellschaft werden mehr als 30 Millionen Engagierte in Deutschland ausgeblendet, die dringend Unterstützung brauchen. Der dlv fordert daher einen Digitalisierungsgipfel für das Ehrenamt.
Ohne die technischen Voraussetzungen eines schnellen Internets nutzen die besten digitalen Errungenschaften nichts. Deshalb muss der flächendeckende Breitbandausbau auch im ländlichen Raum endlich gelingen.
Brigitte Scherb, 2007-2019 Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes e. V. (dlv)
Publiziert in: Digital ist nicht egal - Soziales Ehrenamt in einer digitalen Gesellschaft, Jan. 2019.