Gott kommt
Morgens wachte Schuster Konrad freudig auf. Er hatte einen wunderschönen Traum: Gott kommt zu Besuch. Ganz flink räumt Konrad seine Wohnung auf, kochte Kaffee und deckte den Tisch. Nun konnte Gott kommen.
©unsplash.com/@lighttouchedphotography
Sie werden da sicher denken: ist ja ein hübscher Traum, aber weit weg von der Wirklichkeit. Mich hat Gott noch nie besucht. Oder kennen Sie jemanden, den Gott besucht hat?
Wer mit dieser Frage in die Bibel schaut, braucht nicht lange zu suchen. Abraham z. B. hatte Besuch von Gott bekommen; im Neuen Testament wird berichtet, dass Jesus gern bei Lazarus und seinen beiden Schwestern zu Besuch war. Und der Zöllner Zachäus wird ganz schön überrascht gewesen sein, als Jesus ihn aufforderte, vom Baum zu steigen, weil er bei ihm zu Besuch kommen wollte.
Es ist schon einige Jahre her, als sich in Wittstock an der Dosse (Land Brandenburg) eine CKD-Gruppe gründete. Wir wurden als Berliner CKD-Diözesan-vorstand zur Gründungsfeier eingeladen. Ich habe mir auf der Fahrt überlegt, was ich in der Predigt den CKD-Frauen und -Männern mitgeben wollte. Was ich damals gepredigt habe, weiß ich nicht mehr. Aber den herzlichen Empfang werde ich nie vergessen: "Ist das schön, dass Ihr euch auf den Weg gemacht habt, um uns zu besuchen." Jeder Besuch birgt in sich eine Botschaft: Du bist mir wichtig, und darum habe ich mich auf den Weg zu dir gemacht. Noch bevor ich also das erste Wort gesprochen habe, habe ich etwas gesagt, nicht mit Worten, wohl aber durch mein Kommen.
Konrad hat seine Wohnung hergerichtet für den angekündigten Besuch. Doch wer Erfahrungen mit Gott macht, wird feststellen, dass Gott seinen Besuch selten ankündigt. Vielleicht gerade deswegen, weil Gott nicht eine extra für ihn hergerichtete Situation haben will. Er möchte in unser Leben kommen, so wie es ist: aufgeräumt oder unaufgeräumt.
Das schönste aber ist die Erfahrung, die der Zöllner Zachäus machen konnte. Jesus kommt zu ihm zu Besuch, unangekündigt. Wie Jesus das Haus des Zachäus vorgefunden hat, erwähnt Lukas nicht. Aber wie er den Zachäus selbst erlebt hat, davon berichtet er. Zachäus war ein Zöllner, also ein Mann, in dessen Leben nicht alles in Ordnung war. Der Besuch Jesu aber hat sein Leben verändert. "Herr, die Hälfte von meinem Besitz will ich den Armen geben, und wenn ich von jemandem zu viel verlangt habe, gebe ich es ihm vierfach zurück." Und der Evangelist Lukas resümiert schlicht: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden.
Was wäre, wenn Zachäus Nein gesagt hätte? Oder anders gefragt: Hätten Sie Jesus in Ihr Haus hereingelassen? Viele Christen würden sofort sagen: Bestimmt hätte ich ihn hereingelassen! Und das glaube ich Ihnen auch ehrlich. Aber da gibt es ein kleines Problem.
Konrad hatte seine Stube hergerichtet und alles schön vorbereitet. Doch Gott kam nicht zu Besuch. Stattdessen kamen aber andere, die er nicht erwartet hatte: ein frierender Postbote, der sich kurz mal aufwärmen wollte; ein Kind, das seine Mutter verloren hatte und nicht mehr den Weg nach Hause fand; und die erschöpfte Nachbarin, deren Kind schwer krank war. Die Geschichte erzählt: Konrad hat sie hereingelassen und hat sich um sie gekümmert.
Das ist die Chance des Augenblicks, die ich wahrnehmen oder auch vertun kann. Gott kommt zu Besuch, doch häufig kommt er anders, als wir es erwarten: in einem Kranken, einem Fremden, einem Jugendlichen ... Es ist die große Herausforderung, in diesen Menschen Gott zu erkennen. Was ihr für einen meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan. Der Papst fordert uns ja im Jahr der Barmherzigkeit dazu auf.
Gott ist bei Konrad zu Besuch gekommen, und er hat diese Chance wahrgenommen, wie Zachäus, Abraham und viele andere. Und sie alle haben erlebt, dass der Besuch Gottes etwas in ihrem Leben verändert hat. Oder wie Lukas es beschrieben hat: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden.
Fünf Impulsfragen:
Da kommt Besuch!
Besucht werden oder Besuche machen kann etwas ganz Schönes sein. Doch es gibt auch Besuche, die unerfreulich verlaufen, und bei denen man froh ist, wenn der Besucher wieder geht.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thema "besuchen" gemacht?
Wohnung aufgeräumt?
Die Wohnung ist etwas ganz Persönliches. Möbel und Bilder, aber auch der Zustand der Wohnung verraten viel von der Bewohnerin oder dem Bewohner. Sie erzählen von seinem Leben, seinen Gefühlen, von seiner Seele.
Als Besucherin oder Besucher trete ich sozusagen in den Innenraum (Internum, Intimbereich) eines Menschen. Ich berühre seine Seele.
Worauf sollte ich achtgeben (im wahrsten Sinne des Wortes: achtsam sein, Achtung haben), wenn ich zum Innenraum eines Menschen, zu seiner Seele Zutritt habe? Bleiben Sie dabei nicht so sehr bei den formellen Dingen (vorherige Anmeldung, günstige Uhrzeit) stehen. Beziehen Sie Ihre Gedanken auf den menschlichen und spirituellen Bereich.
Die Kirche kommt nach Hause
Sie kommen nicht "privat" zu Besuch, auch wenn Sie den Besuchten gut kennen. Sie kommen im Namen der Gemeinde, der katholischen Kirche.
Welches Kirchenbild geben Sie dem Besuchten? Hier zwei Beispiele:
- Sie kommen im Namen einer Kirche, die den Anderen nicht vergessen hat, auch wenn er nicht an deren Veranstaltungen teilnimmt (teilnehmen kann).
- Sie kommen im Namen einer Kirche, die sich auf den Weg macht (Bild einer suchenden, nachgehenden Kirche).
Gott kommt zu Besuch
Und nicht zuletzt kommen Sie auch im Namen Gottes. Sie sind damit ein Apostel (Gesandter), ein Verkünder einer Botschaft. Welche Botschaft bringen Sie mit? Auch hier zwei Beispiele:
- Wenn Sie diese Besuche regelmäßig wiederholen, erzählen Sie damit etwas von einem treuen Gott, der den Menschen nicht fallen lässt.
- Und wenn Sie geduldig zuhören, erfährt der andere etwas von der Langmut und Weite Gottes.
Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden (Lk 19,1-10)
Wenn Sie nach einer gewissen Zeit sich verabschieden und wieder gehen, ist der Besuch nicht beendet. Sie werden etwas mitnehmen: Erzählungen, die Sie bewegt haben und die Sie so schnell nicht loslassen, oder Fragen, auf die Sie keine Antworten gefunden haben. Und Sie werden auch etwas zurücklassen: Die Erfahrung, dass da jemand war, der zuhören konnte und meine Freuden und Sorgen mit mir geteilt hat. Hier ist also eine Communio, ein Stück Lebensgemeinschaft entstanden. Sie haben ein Stück Leben mit dem Anderen geteilt.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser communio gemacht? Hat Ihr Besuch das Leben (das Leben des Besuchten und Ihr eigenes Leben) verändert? Konnten Sie etwas von dem Heil erfahren, von dem der Evangelist Lukas beim Besuch Jesu im Haus des Zachäus erzählt.
Prälat Dr. Stefan Dybowski
Geistlicher Begleiter CKD-Diözesanverband Berlin