Der rasante Wandel und das Sakrament des Handelns
Vom "rasanten Wandel" in der Gesellschaft und im christlichen Leben sprach die Trierer Bistumssynode und beschloss Perspektivwechsel[1]. Der rasante Wandel ist allerorten spürbar, also kein "Trierer Phänomen".
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Die Hoffnungen der Deutschen Bischofskonferenz liegen auf dem "Synodalen Weg" mit den vier Foren "Macht, Partizipation, Gewaltenteilung", "Sexualmoral", "Priesterliche Lebensformen" und "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche". Das Kirchenvolk stimmt einstweilen "mit den Füßen" ab: hohe Kirchenaustrittszahlen, niedriger Gottesdienstbesuch… Ein rasanter Wandel, allerdings schon seit vielen Jahren absehbar! Ähnlich dem "Klimawandel"? Jedenfalls fordert in diesem Zusammenhang die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften, von der deutschen Klimapolitik einen "unmittelbaren Transformationsschub". Jetzt, heute, soll umgewandelt, umgeformt, umgestaltet werden. Ja, der Wandel …
"Frag hundert Katholiken was das Wichtigste ist in der Kirche. Sie werden antworten: Die Messe. Frag hundert Katholiken was das Wichtigste ist in der Messe. Sie werden antworten: Die Wandlung. Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein: Nein, alles soll so bleiben wie es ist!"[2] Ist uns Christinnen und Christen immer bewusst, dass im Zentrum unseres Glaubens auch so etwas wie ein "Transformationsschub" steht? Ein "Schub" zur Umwandlung, Umformung, Umgestaltung? Jesu Wandlungswort über Brot und Wein will doch unser ganzes Leben verwandeln. Jesu Tun der Fußwaschung, das Johannesevangelium berichtet an Stelle der Einsetzungsworte davon, spricht uns den Dienst am Nächsten, das verwandelnde Handeln der Liebe zu …
Pater Anselm Grün ist davon überzeugt, dass durch unser barmherziges Tun sich eine Welt verwandeln will. Die sieben Werke der Barmherzigkeit sind für ihn ein "Sakrament des Handelns"[3]: 1. Hungrige speisen. 2. Durstige tränken. 3. Nackte bekleiden. 4. Fremde beherbergen. 5. Gefangene erlösen. 6. Kranke besuchen. 7. Tote begraben. (vgl. Mt 25,35-36) Auch zu den Barmherzigen spricht Jesus ein Wandlungswort: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40).
Der damalige Erfurter Bischof, Joachim Wanke, hat im Jahr 2006 Menschen befragen lassen, was sie heute unter Barmherzigkeit verstehen. Die Antworten sind in "sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen heute" eingeflossen: 1. Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu. 2. Ich höre dir zu. 3. Ich rede gut über dich. 4. Ich gehe ein Stück mit dir. 5. Ich teile mit dir. 6. Ich besuche dich. 7. Ich bete für dich[4]. Es ist doch auffallend, dass bei den Werken der Barmherzigkeit - ob in biblischer oder heute formulierter Form - eines nicht fehlt: die Menschen zu besuchen
Wenn die CKD ihre Besuchsdienste sehr zutreffend als "gelebte Beziehung mit Tradition und Zukunft" beschreibt, ist dies ein Zuspruch für alle, die in diesen Diensten ehrenamtlich tätig sind. Unter "Beziehung" könnte all das verstanden werden, was Menschen hilft, Einsamkeit oder sogar Isolation aufzubrechen: Das Gefühl, dazuzugehören, dass mir jemand zuhört, gut über mich redet, bei mir ist und mich begleitet. Die Erfahrung, dass mit mir geteilt, für mich gebetet wird (Bischof Wanke).
Mit "Tradition" ist gewiss nicht das "es war schon immer so" gemeint. Tradition bezeichnet das treue und verlässliche Tun in den Besuchsdiensten. Dass dies "Zukunft" hat, ist augenscheinlich. Wie sähe denn die Alternative zu den Besuchsdiensten aus? Damit werden nicht die Schwierigkeiten übergangen, heute Menschen für das Mittun in den Besuchsdiensten anzusprechen. Damit werden nicht die Abbrüche und Abschiede kleingeredet, die sich im rasanten Wandel vollziehen.
Zu den konsequentesten und dem Wandel Rechnung tragenden Entscheidungen der Trierer Bistumssynode gehört die diakonische und missionarische Kirchenentwicklung: Kirche zu werden und zu sein, die den Menschen nahe ist. In der Umsetzungsphase sprechen wir inzwischen vom "diakonischen Ehrenamt". Das ist doch eine wunderbare Zuschreibung! D.h.: das ist ein Ehrenamt im kirchlichen Grunddienst! Das ist kirchliches Handeln! Das ist ein deutliches Zeichen!
Der "Transformationsschub" geht von Jesus Christus selbst aus. Er verwandelt uns. Ihm begegnen wir im Nächsten. Sakrament des Handelns: Durch unser Tun will sich die Welt wandeln.
Fragen zum Nachdenken
Stellt die "Unterbrechung" durch die Corona-Pandemie den Text infrage?
Was heißt "Wandel" für mich / uns?
Wo und wie erleben wir "Wandel"?
Warum kann nicht alles bleiben wie es ist?
Wie könnte man "Sakrament des Handelns" mit eigenen Worten beschreiben?
Wie könnte die "Zukunft" ehrenamtlichen Handelns in Besuchsdiensten "nach Corona" aussehen?
[1] vgl. heraus gerufen, Schritte in die Zukunft wagen, Abschlussdokument Synode im Bistum Trier
[2] "Inkonsequent", Lothar Zenetti (1972)
[3] vgl. Anselm Grün, Damit die Welt verwandelt wird, Goldmann 2011
[4] vgl. Bischof Joachim Wanke, Predigt zur Eröffnung des Elisabeth-Jahres im Bistum Erfurt, 18. Nov. 2006
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Diakon Rudolf Düber
Geistlicher Begleiter CKD-Diözesanverband Trier