Auftrag angenommen – Besuchsdienste weiterentwickeln
Worum geht es?
Menschen besuchen Menschen im Krankenhaus, im Altenheim oder zu Hause aus unterschiedlichen Anlässen, ob zur Geburt eines neuen Familienmitglieds, weil sie neu in die Stadt oder das Dorfgezogen sind, weil sie Geburtstag hatten. Hier sind Menschen im Sozialraum unterwegs, weil sie dem christlichen Auftrag folgen. Dies praktizieren sie nicht als Einzelne und als Privatpersonen, sondern als Teil einer caritativen Gruppe, im Auftrag der jeweiligen Kirchengemeinde oder als Teil einer kirchlichen Einrichtung.
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Diese Besuchsdienste sind ein Teil der Kirche, die zu den Menschen hingeht. Sie warten nicht ab, ob jemand zu ihnen kommt. Diese Gruppen sind nicht selten die einzige Gruppe der kirchlichen Gemeinden, die im Sozialraum aktiv durch diesen Weg zu den Menschen Kirchen unmittelbar für die Menschen präsent erhält. Die Besuchsdienste sind damit ein wesentlicher Beitrag, die soziale Seite von Kirche zu gestalten. Sie ermöglichen mit ihrem Dienst die unmittelbare Begegnung und den Austausch zwischen Menschen, die sich zumindest zu Beginn des Besuchs oder des ersten Besuchs nicht persönlich kennen.
Nicht wenige der Engagierten sind schon lange aktiv in diesen Besuchsdiensten. Deswegen hat eine größere Anzahl der Ehrenamtlichen schon ein höheres Alter erreicht. Deshalb diese Ehrenamtlichen - manchmal hinter vorgehaltener Hand - als alten Damenclub, der bald ausstirbt" abzutun, schlägt völlig fehl. Nicht nur weil damit das aktuelle Engagement nicht gewürdigt wird, sondern auch weil die Lebenserfahrung der Frauen und Langezeitengagement nicht gesehen wird. Zugleich geschieht nicht ausreichend etwas dafür neue, jüngere Männer und Frauen für diesen Dienst zu gewinnen - wenn auch zu Recht in anderer Form und Arbeitsweise.
Ein Beitrag zur Würdigung und Weiterentwicklung dieses caritativen Dienstes ist schon Aktiven und neu Interessierten eine Qualifizierung für diese Aufgabe anzubieten, sei es durch Veranstaltungen vor Ort oder durch Fortbildungsangebote über ein Bistum verteilt. Im Bistum Hildesheim gibt es deshalb seit mehr als drei Jahrzehnten Fortbildungen an Wochenenden, immer wieder in anderen Bildungshäusern, damit immer wieder eine kürzere Anreise haben. Es wurde ein dreiteiliges, aufeinander aufbauendes Angebot aus Grundlagenseminar, Vertiefungsseminar und Reflexionsseminartag entwickelt. In früherer Zeit nur für die Krankenhausbesuchsdienste angeboten, steht es seit mehr als 10 Jahren allen Arten von Besuchsdiensten offen. Gemeinsam von Bistum und Caritasverband verantwortet und über den Diözesancaritasverband konkret organisiert. In anderen Bistümern gibt es Tageskurse.
Auftrag "Besuchsdienste weiterentwickeln"
Steht deshalb alles zum Besten beim kirchlich-caritativen Angebote "Besuchsdienste"? Sicherlich nicht, denn es gilt sich mindestens vier aktuellen Herausforderungen zu stellen, dieses Angebot gut weiter zu entwickeln. Dafür erscheinen am Horizont sieben Lösungswege. Herausforderungen wie Lösungen, beides sollen im Folgenden dargestellt werden. Letztlich entscheiden alle Ehren- wie Hauptamtliche in der Kirche, an ihren jeweiligen Lebens-, Wirkungs- und Glaubensorten, ob dieser Auftrag angenommen und umgesetzt wird: Besuchsdienste weiterentwickeln.
Herausforderungen - kurz erinnert
Die Herausforderungen sind bekannt, deshalb soll hier nur kurz an sie erinnert werden:
1. Umbruchprozess in den Pfarreien "Mehr als nur Strukturen"
Seit einiger Zeit hat mit der Umstrukturierung in der Pfarreienlandschaft ein inhaltlicher Prozess begonnen, der auch eine Umorientierung im gesamten Handeln andeutet. Dazu gehört auch die zentrale Frage, wie die caritative Arbeit wirklich als gleichwertiger Teil der Kirche gesehen und praktiziert wird.
2. Demographischer Wandel
Weniger Junge Menschen, mehr ältere Menschen hat vielfältige Auswirkungen im kirchlichen Handeln, ob mit Blick auf Ehrenamtliche in Kirchengemeinden, bei der beruflichen Fachkräftegewinnung für die Caritasarbeit oder bei der Gestaltung von Angeboten im und für den Sozialraum.
3. Digitalisierung
Eine Entwicklung, die in aller Munde ist. Risiken und Befürchtungen bestimmten vor der Corona-Pandemie manchmal zu sehr die Bühne; weniger kamen die Chancen zur Sprache, die auch im sozialen Bereich bestehen. Corona hat der Digitalisierung einen sehr kräftigen Schub verliehen. Auch unter Ehrenamtlichen nehmen digitale Arbeitsformen im Zweier-Kontakt oder für Gruppen mehr und mehr zu. Die digitale Ausstattung für das Ehrenamt steigerte sich unter Corona an vielen Orten schnell. Verantwortliche in den Verbänden und Einrichtungen haben zunehmend den Nutzen erkannt und ermöglichen die Ausstattung auch für Ehrenamtliche.
4. Sozialraumorientierung - Aktiv im Sozialraum
Insbesondere in der Caritas wird seit vielen Jahren geschaut, wie das Fachkonzept "Sozialraumorientiertes Arbeiten" in allen Fachdiensten und Einrichtungen umgesetzt werden kann. Zentral ist die Frage, wie schaffen wir es die Interessen der Menschen ernst zu nehmen und wie die Menschen die Verbesserung ihrer Lebenssituation selbst in die Hand nehmen. Zugleich ist die Kirche mit ihren Kirchengemeinden an einer höheren Präsenz im Sozialraum interessiert.
Herausforderungen begegnet man am besten mit Lösungen. Sieben mögliche Wege sollen skizziert werden.
Weg 1: Wertschätzende Haltung - Zuhören als zentrale Grundhaltung
Ob zwischen Ehrenamtlichen und Besuchten, ob zwischen Ehrenamtlichen untereinander oder ob zwischen Ehren- und Hauptamtliche geht es in allem Tun und Verhalten um eine grundlegende Haltung der Wertschätzung. So zeigt sich ganz praktisch und unmittelbar "Liebe Deinen Nächsten - wie dich selbst". Nicht immer das Verhalten, die Äußerungen oder die Wünsche des anderen sofort eingängig, verständlich und sinnvoll aus unserer eigenen Sicht. In der Haltung der Wertschätzung kann einige Schritte "in den Schuhen des anderen gehen" und so verstehen, was ihm wichtig ist, damit ersichtlich wird, was gut und richtig ist, um zu erkennen was jetzt passender Weise zu tun ist. Dies kann am einfachsten geschehen, wenn wir gut zuhören. Das kostet Zeit, die wir uns miteinander nehmen sollten und können. So können wir möglicher Weise Widerstände im pastoralen Umbruchprozess oder in der fortschreitenden Digitalisierung verstehen - und doch nicht alles beim Alten lassen. So können wir verstehen, wo die Bedürfnisse und Nöte der jeweiligen Generation im demographischen Wandel sind oder die wirklichen Interessen und den Willen (nicht die Wünsche) des anderen verstehen und darauf aufbauend handeln. Für die Besuchsdienste bedeutet es immer wieder das wertschätzende Zuhören im eigenen Kreis einzuüben und dann im Kontakt mit den Menschen zu praktizieren.
Weg 2: mit Jugendlichen
In der Caritas in Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg und Teilen Italiens ist in den letzten Jahren Young Caritas zu einem neuen festen Markenzeichen dafür geworden, das Interesse junger Menschen ernst zu nehmen sich sozial in kurzen Aktionen zu engagieren. Im Mai 2019 wird wieder bundesweit in Deutschland die 72-Stunden-Aktion durchgeführt. Vielmehr als um ein neues Label geht es um die damit verbundene Grundhaltung: Wir wollen jungen Menschen Räume für ihr Engagement in ihrer altersgemäßen Form geben. Sind Ältere offen für ein anderes Engagement neben und mir uns? Ob nun in der Kirchengemeinde oder einer Caritaseinrichtung das ist egal - sind die Besuchsdienste dafür offen, wenn z. B. jemand nur ein paar Monate oder ein Jahr mitarbeiten will?
Weg 3: Bekannt machen
Im digitalen Zeitalter ist eine Internetpräsenz ein Muss. Doch dabei ist es für jede Darstellung wichtig, es so zu präsentieren, dass es gut verständlich ist und viele Anregungen bekommen, wie sie sich unterstützend. Mit Blick auf die Besuchsdienste bedeutet dies, den jeweiligen einfach, kurz und klar zu beschreiben. Dies muss nicht gleich eine sehr umfangreiche "Stellen- oder Aufgabenbeschreibung" sein. Das wesentliche z. B. für einen Besuchsdienst im Altenheim ist in wenigen Sätzen gesagt. Die Grundelemente des modernen Freiwilligenmanagements sollten auch bei der Werbung, Einarbeitung und Gestaltung der Besuchsdienste Eingang finden. Eine Zusammenarbeit z. B. örtlichen Freiwilligenzentrum kann dafür sehr hilfreich sein, alte Bedenken sollten der Vergangenheit angehören. Andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit wie ein Artikel in einem Stadtteilmagazin, im großen Pfarrbrief oder im Schaukasten sind ebenso wichtig - und schließlich bleibt die gute alte direkte Ansprache unerlässlich, denn die Menschen wollen immer noch oder erst recht wissen, mit wem sie diesen sinnvollen Dienst tun werden.
Weg 4: Offenes Netzwerk "Caritas-Konferenzen Deutschlands"
Vieles hat sich schon in Kirche und Gesellschaft zum sozialen Engagement verändert - und es noch weiter tun. Eine Veränderung ist sicherlich, dass die Bindung in bzw. an eine Gruppe für einen langen Zeitraum abgenommen hat. Dennoch: wer sich engagieren will, braucht eine feste "Andockstelle". In Einrichtungen mit vielen beruflichen Kräften ist es sicherlich gut möglich, dass dies eine Hauptamtliche ist. Aber wie es bei den vielen Initiativen im Sozialraum oder in Kirchengemeinden mit immer weniger Hauptamtlichen? Die Caritas-Konferenzen als Zusammenschluss von Ehrenamtlichen in Kirchengemeinden und Einrichtungen sind schon seit längerem auf dem Weg der Öffnung zu einem Netzwerk in Gruppen und Ansprechpartner, dass sich nicht mehr nur auf den binnenkirchlichen Raum eines Kirchortes, einer Gemeinde beschränkt. Hier findet Selbstorganisation von Ehrenamtlichen selbst statt. Die Leitungsteams der einzelnen Gruppen sind diese Andockstellen in größeren sozialen und kirchlichen Räumen.
Weg 5: Neue Elemente mit einem Besuch verbinden
Zur Weiterentwicklung der Besuchsdienste gehört sicherlich auch sich neuen Ideen zur Gestaltung dieses Dienstes zu öffnen. Eine Idee ist das Projekt "Türöffner" aus der Diözese Osnabrück. Hier werden Organisation einer Aufgabe durch ein Organisationsteam und deren Durchführung voneinander bewusst getrennt. Hier wird nach den Fähigkeiten und Interessen der Menschen geschaut - und damit die alte Aufteilung in Besucher und Besuchte durchbrochen. Eine andere Idee ist "Besuch mit Buch", praktiziert in der Caritas Vorarlberg in Österreich. Hier geht es darum den Besuch anders zu gestalten, z. B. durch das Vorlesen oder bei der Spaziergängerbegleitung nicht im Haus zu verbleiben, sondern das Gespräch mit Bewegung zu verbinden. Dort wo der Besuch mit konkreten Hilfen, wie Hilfen bei Formularen oder dem Weg zu Behörden verbunden wird wie z. B. in Caritas-Konferenzen in der Erzdiözese Paderborn, ist eine weitere Möglichkeit. Bei Nachbarschaftshilfen oder dem Türöffner könnte man schon von anderen Diensten bzw. Angeboten sprechen.
Weg 6: Verbindung mit anderen Angeboten stärken
Ein Besuchsdienst steht nicht allein für sich in einer Kirchengemeinde, in einem Stadtteil oder Dorf. Vielmehr ist er gut, wenn er mit anderen Angeboten im gleichen Raum verbunden ist. Was ist mit der Hinführung zum Seniorennachmittag, offenen Gesprächs- und Themenangeboten, sozialen Sprechstunden für weitere Hilfe in Notlagen, einem Mittagstisch oder den Hilfen durch eine ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe. All dies muss nicht immer auch die katholische Kirchengemeinde am Ort anbieten, vielleicht gibt es dies von der benachbarten evangelischen Gemeinde oder durch die politische Gemeinde oder durch Initiativen von Bürgern und Bürgerinnen. Hier bedarf es auch einer wechselseitigen "Verweiskultur".
Weg 7: Qualifizierung
Schließlich kommt es auf eine gute Einarbeitung, Schulung und Fortbildung der Ehrenamtlichen in den Besuchsdiensten an. Einiges wie eine gute Einarbeitung oder regelmäßige Gruppentreffen können die Gruppen und deren Leitungen gut selbst leisten. Für Anderes wie eine umfassendere Qualifizierung braucht es das übergemeindliche Netzwerk von Stellen, dies anbieten und organisieren. Freiwilligenzentren, Fachdienste Gemeindecaritas, Servicestellen Ehrenamt und noch andere Anlaufstellen können dabei ebenso hilfreich sein wie Angebote von der Diözesanebene.
Für die alltägliche Arbeit in den Gruppen sind Materialien, die Grundsätzliches aber genauso wichtig viele praktische Tipps und kurze Hilfestellungen enthalten. Da den Ehrenamtlichen immer wieder auch eine spirituelle Rückbindung von ihrem Tun zum christlichen Glauben wichtig ist, braucht es dafür auch praktikable Materialien oder Schulungen, um zu einer gelebten Praxis von spirituellen Elementen bei den Gruppentreffen zu kommen. Dabei brauchen einige vielleicht nur grundlegende Hinweise und holen sich weitere Texte aus dem vielfältigen Buch- und Internetangebot, andere freuen sich über eine neue Sammlung von Methoden und Texten.
Ausblick
Um erfolgreich in der Weiterentwicklung der Besuchsdienste hilft nicht der Blick auf eine Gruppe von Akteuren. Vielmehr gelingen Lösungen nur, wenn alle gemeinsam handeln. Konkret heißt dies beispielsweise:
- Aktive in den Besuchsdienste können sich neue, veränderte Aufgaben vorstellen
- Ehrenamtliche Leitungen können sich auch Freiwillige vorstellen, die nur eine kurze Zeit aktiv sein wollen.
- Hauptamtliche in der Pastoral bewerben - auch in größer gewordenen Pfarreigebieten - diese Aufgabe mit positiver Haltung und würdigen öffentlich die schon Tätigen.
- Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände nutzen ihre Fördermöglichkeiten bei der Qualifizierung neuer Ehrenamtlicher.
- Einrichtungen und ihre Leitungen sind offen für neue Ehrenamtliche und stellen deshalb Koordinatoren für das Ehrenamt zur Unterstützung zur Verfügung.
- Caritasverbände nutzen die Mitwirkung von Ehrenamtlichen nicht nur über einen Fachdienst Gemeindecaritas oder eine Fachstelle Ehrenamt, sondern schauen wie eine Integration in andere Fachdienste, z. B. die Sozialstation oder die Lebens- und Sozialberatung, möglich sind.
Peter Nagel
CKD-Diözesangeschäftsführer Hildesheim