Aggressivität und Gewalt in der Pflege
Foto: Gerda Dilger
Am 21.10.2020 fand in den Räumen der Mittleren Kaplanei in Markdorf trotz 'Corona' eine Fortbildung für die Pflegehelferinnen zum Thema "Aggressivität und Gewalt in der Pflege" statt. Frau Dindorf vom Caritasverband für das Dekanat Linzgau war als Referentin eingeladen. Die osteuropäischen Pflegehelferinnen in Privathaushalten waren sehr gespannt auf den Vortrag und konnten anschließend ihre Fragen aus dem Alltag stellen. Für mich als Projektleiterin war das Thema ebenfalls sehr bereichernd.
Waren Sie schon einmal aggressiv (aufbrausend, böse, wütend)? Was ist Aggressivität?
Aggressivität ist:
- etwas Bedrohliches,
- etwas geschieht gegen meinen Willen,
- etwas bewusst Schädigendes, sie macht Angst und hilflos.
Für die Pflegehelferinnen besteht eine tagtägliche Herausforderung darin, ein wohlwollendes und entspanntes Klima im Pflegehaushalt zu erhalten. Verständnis und Feingefühl bei der Pflege sind nicht das Allgemeinrezept doch hilfreiche Grundregeln wirken unterstützend.
Wie kann man möglicher Aggression und Gewalt vorbeugen und ihnen entgegenwirken? Da hatte die Referentin einige hilfreiche Tipps.
- unterbrechen der Situation und damit entschärfen,
Foto: Gerda Dilger
- erkennen der Ursachen und Auslöser wie Wut, Unruhe, Schmerzen, Angst, Hunger, oder Langeweile
- die Gefühle und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person ernst nehmen,
- auch Unangenehmes ansprechen,
- durch Berührungen oder Abstand halten die pflegebedürftige Person beruhigen und dabei auf ihre Gesten, die Mimik und die Körperhaltung achten,
- Gewohnheiten und Rituale z. B. beim Schlafengehen vermitteln Sicherheit,
- Abläufe ankündigen besonders bei Körperkontakt, denn unverstandene Handgriffe wirken oft bedrohlich,
- wenn es stressig wird: Ruhe bewahren, durchatmen, abschalten und den Raum kurzzeitig verlassen,
- Vermeiden: belehren, beschimpfen, widersprechen,
- Runterfahren, Entspannungstechniken, neu ordnen, die Situation überdenken,
- sich etwas Gutes tun, um auf andere Gedanken zu kommen,
- Pflegefachkräfte, Angehörige um Rat fragen,
- Vorkommnisse sollten dokumentiert und besondere Vorfälle gemeldet werden.
Gewalt in der Pflege wird in körperliche, psychische Gewalt, Intime Übergriffe, Vernachlässigung und finanzielle Ausnutzung unterteilt. Hier wird Schaden und Leid den betroffenen Personen zugefügt.
Beispiele körperlicher Gewalt
- grob anfassen, schlagen beißen, kratzen, schütteln, unbequemes hinlegen, hinsetzen,
- Waschen mit zu heißem oder zu kaltem Wasser
- Unachtsamkeit führt zu Dekubitus
- zum Essen zwingen, stopfen oder Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug
- nicht beachten der Medikamentenverordnung
- verweigern von Hilfsmittel wie den Gehstock, die Brille oder die Klingel
Beispiele psychische Gewalt
- anschreien, schimpfen, belehren, missachten, ignorieren
- über den Kopf hinweg sprechen, entscheiden, nicht ausreden lassen
- geäußerte Bedürfnisse bagatellisieren
- das Zimmer betreten ohne anzuklopfen
- die Nachtruhe stören.
- Kontakte zu anderen Menschen verweigern oder erzwingen
Beispiele von Vernachlässigung
- schlechte Pflege oder schlechte medizinische Versorgung,
- unzureichende Alltagshilfe,
- lange auf Hilfe warten lassen und Bedürfnisse übergehen,
- Bewegung verweigern (aufstehen - gehen)
- schmutzige, nicht geeignete Wäsche/Kleidung verwenden wie z. B. auch tagsüber die Pflegeperson in Nachtwäsche kleiden
- keine ausreichende Unterstützung bei der Körperpflege leisten z. B. beim Duschen oder der Reinigung der Zahnprothese,
- Gefahrenquellen ignorieren
Beispiele Finanzielle Ausnutzung
- unbefugt über das Vermögen des Pflegebedürftigen verfügen,
- die Pflegeperson zu Geldgeschenken nötigen,
- entwerten von Wertgegenständen oder Wechselgeld vorenthalten,
- Infos vorenthalten
Beispiel Intime Übergriffe
- ungefragt Briefe öffnen,
- Körperpflege leisten bei offener Tür
- Schamgefühle verletzen
- sexuelle Andeutungen machen
- verlangen oder erzwingen von Intimkontakten
Fachberatungen für pflegende Angehörige durch DRK oder den Caritasverband sind sehr hilfreich.
Zum Schluss Tipps für nützliche Hilfsmittel:
- klingelnde Fußmatten, wenn jemand die Wohnung verlässt,
- Bewegungsmelder statt Lichtschalter in der Wohnung,
- Vorhang an der Haustürinnenseite hält ab vom Öffnen.
Viele Angehörige pflegen zu Hause ihre Familienangehörige oft unvorbereitet und sind damit überfordert. Das angeeignete Wissen über Pflegetechniken mindert die Gewalt in der Pflege. Pflegende haben Anspruch auf gesetzliche Angebote und können sich Unterstützung bei der Pflege zu Hause holen.
"Achten Sie auf Ihre Kräfte und nehmen Sie sich persönliche Auszeiten von der Pflege", das waren wichtige Tipps der Referentin.
Gerade in Corona-Zeiten ist die Arbeit der Pflegehelferinnen noch einsamer. Viele schränken die schon sehr geringen weiter ein. Eine Fortbildung tut in dieser Situation besonders gut.
Gerda Dilger
Projektleiterin