Ein österlicher Gruß von Prälat Dr. Peter Neher
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Schwestern und Brüder!
Wie sehr sehnen uns nach einem Ende der Corona-Pandemie; einem Ende der Einschränkungen, die uns ganz persönlich, am Arbeitsplatz, in Gesellschaft und Kirche und nicht zuletzt weltweit zutiefst beunruhigen. Wenn auch darin Ostern würde und sich all die Leiden des Karfreitags, die Aussichtslosigkeit und der Tod auflösen würden. In der Liturgie der Karwoche folgt nämlich auf den Gründonnerstag mit seiner Verlassenheit im Garten von Gethsemane und dem Tod des Karfreitags der Ostermorgen, der alles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Doch davon scheinen wir im Moment weit entfernt.
Prälat Dr. Peter Neher ist seit Mai 2003 Präsident des Deutschen Caritasverbandes.DCV / Anke Jacob
Ist da doch die Situation der Kolleginnen und Kollegen, die unmittelbar im Dienst an den kranken und pflegebedürftigen Menschen stehen; denen Menschen anvertraut sind, die sie auch in dieser schweren Zeit nicht allein lassen können und sich dabei selbst und möglicherweise jene gefährden, für die sie da sind. Andere müssen für sich und ihre Einrichtungen völlig neue Arbeitsabläufe erfinden und können sich vor zusätzlicher Arbeit nicht retten; und wieder anderen bricht einfach weg, wofür sie bisher verantwortlich waren, weil auf Wochen hin vieles nicht mehr stattfindet. Und wer in den Gottesdiensten der Karwoche Trost und Ermutigung fand, muss damit zurechtkommen, dass diese nicht in der gewohnten Weise gefeiert werden können. Das alles ist schmerzlich; ob darin auch Chancen liegen, ist offen - wenngleich ich darauf hoffe!
Dabei ist es so, dass wir zwar alle irgendwie von der Pandemie betroffen sind, doch das Virus macht uns längst nicht alle gleich. Wer in einer kleinen Wohnung ohne Garten und Balkon mit seinen Kindern wohnt, ist anders von den Maßnahmen betroffen, die uns zur Häuslichkeit auffordern. Und wer zuhause mit Laptop und Tablet ausgestattet ist, kann seine Kinder deutlich besser unterstützen als jene, denen diese Dinge fremd sind und die sich zusätzlich mit der deutschen Sprache schwer tun. Existenziell bedrohlich kann es werden, wenn die Einnahmen ausbleiben, die für die Lebensführung notwendig sind. Und wer arm ist, der erfährt sich nicht zum ersten Mal ausgegrenzt.
Und schließlich denke ich als Teil einer weltweiten Kirche mit ihrer Caritas an diejenigen, die auf den griechischen Inseln als Flüchtlinge unter katastrophalen Umständen ohne Hoffnung sind, an das Elend der vom Krieg in Syrien Betroffenen oder die in den Slums von Nairobi oder im Gaza-Streifen lebenden Menschen - ohne Möglichkeit zum Abstand voneinander und genügend Wasser zum Waschen.
Wie bringen wir all das mit Ostern zusammen? Mit einem Ostern, wie wir es gerne in der Liturgie, mit der Familie und mit Freunden feiern? Mir fällt auf, wie ratlos die Freunde Jesu seiner Auferstehung gegen-überstehen. Während sonst an Ostern das Halleluja erklingt, heißt es in einem der Osterevangelien nur: Petrus "ging nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war." Oder die beiden Freunde auf dem Weg nach Emmaus. Enttäuscht und mutlos wollen sie nichts wie weg. Es war offenbar von Anfang an schwer zu glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Und im sprichwörtlich ungläubigen Thomas gipfelt schließlich der Zweifel, der manchem von uns vermutlich aus der Seele spricht.
Ostern ist offensichtlich schwer zu verstehen. Denn tatsächlich gehört die Not des Glaubens zu den Aussagen der Evangelien. Es werden uns keine Helden vorgestellt, sondern zweifelnde und suchende Menschen. Da ist kein plötzliches Halleluja, das die Erfahrungen des Todes einfach wegnähme. Nach dem biblischen Zeugnis ist das etwas ganz Wesentliches an der österlichen Botschaft. Für mich ist es tröstlich, dass man den Glauben nicht in der Tasche haben kann, wie das Geld. Erst nach und nach entdecken die Freunde Jesu Ostern.
Auch wenn es sich gerade jetzt vielleicht so anfühlt, als ob Gott weit weg ist und wir mit unseren Nöten und Ängsten so alleine sind wie Jesus im Garten von Gethsemane, so ist uns doch die tröstende Sonne des Ostermorgens auch mit diesem Ostern verheißen.
So wünsche ich uns allen, dass wir dann und wann - auch und gerade inmitten der momentanen Bedrängnis - etwas von dieser Hoffnung und Zuversicht erfahren, die uns an Ostern von Neuem zugesprochen wird.
Von Herzen danke ich Ihnen in den unterschiedlichen Diensten und Einrichtungen unserer Caritas für Ihren Dienst der Menschlichkeit und der Solidarität. Ich wünsche Ihnen, Ihren Angehörigen und Freunden, dass Ostern werde!
Zum Trost ein kleines Gedicht von Dom Helder Camara, das mich persönlich seit vielen Jahren in schweren Zeiten begleitet:
So schwarz war die Nacht,
ohne den kleinsten Lichtpunkt,
so sehr Nacht,
dass mich, trotz der tiefen Liebe,
die ich der Nacht jederzeit
entgegenbringe,
Angst befiel.
Da hat sie mir ihr Geheimnis anvertraut:
je mehr die Nacht Nacht ist,
umso schöner wird die Morgenröte,
die sie im Schosse trägt!