Am 16. August 2022 war Michael Winter, Redakteur der Freiburger Kirchenzeitung, zu Gast im CKD- Kleiderladen in Markdorf am Bodensee. Er kam mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und zumeist Kundinnen ins Gespräch.
Lesen Sie selbst - wie der Kleiderladen funktioniert - wie gearbeitet wird, welche Motive die Besucher und Besucherinnen haben und warum sich Menschen engagieren!
In der Innenstadt von Markdorf am Bodensee betreiben die Caritas-Konferenzen einen Kleiderladen. Er lebt von rund 20 ehrenamtlich tätigen Frauen und ist über den Verkauf von gebrauchten Kleidungsstücken hinaus auch ein Ort der Begegnung geworden.
"Wir sind Schatzsucherinnen", sagt Gerda Dilger. Das trifft zu. Sogar im doppelten Sinn. Gerda Dilger sitzt an einem kleinen ausziehbaren Tischchen im Hinterzimmer des Markdorfer Kleiderladens. Es ist eng. Kaum Platz, um sich frei zu bewegen. Aber das liegt eben an den Schätzen, die sich hier stapeln: Kleidungsstücke jedweder Art. Gebraucht, aber teilweise erstaunlich hochwertig und keineswegs abgehalftert. Sie zu sichten, auf Mängel und Flecken zu untersuchen und zu sortieren, sei ein "harter Job", so Gerda Dilger. Und tatsächlich ist das kleine Hinterzimmer eine Art Maschinenraum für den angrenzenden großen Laden, in dem letztendlich die Kleidungsstücke landen, die sich als tragbar und schön erweisen.
An solche Schätze heranzukommen, ist für Gerda Dilger und ihre Kolleginnen längst kein Problem mehr. Im Gegenteil. Sie können daraufsetzen, dass immer wieder neue Ware abgegeben wird. Und dass darunter neben einem gewissen Prozentsatz an Ausschuss stets genügend Material ist, das seinen Weg vom diesem Sortierzimmer hinaus ins Geschäft findet.
Und so eng es hinter den Kulissen zugeht, so großzügig und geräumig ist der Kleiderladen selbst, der sich auf den ersten Blick kaum von einer Innenstadtboutique unterscheidet. Abgesehen davon, dass an den einzelnen Kleidungsstücken keine Preisschilder angebracht sind. Offiziell gehen die Stücke gegen eine angemessene Spende über den Ladentisch. Dreimal in der Woche, dienstags, donnerstags und samstags, hat der Laden geöffnet. Und wer sich eine Weile dort aufhält und das Kommen und Gehen beobachtet, kann nur feststellen: Es ist viel los. Das belegen im Übrigen auch die Zahlen. Zuletzt verzeichnete der Markdorfer Kleiderladen rund 380 Kunden pro Monat, die Kleidungsstücke erworben haben.
Aber die Schatzsuche, von der Gerda Dilger spricht, bezieht sich nicht nur auf solide und möglichst attraktive Kleidungsstücke. Vor allem bezieht sie sich auf Menschen. Auf Personen, die bereit sind, den Laden in der Markdorfer Innenstadt am Laufen zu halten. Mitarbeiterinnen, die regelmäßig und verlässlich während der Öffnungszeiten präsent und ansprechbar sind. Nicht als bezahlte Angestellte, sondern ausschließlich ehrenamtlich. So wie das auch auf Gerda Dilger selbst zutrifft, der zusammen mit ihrer Mitstreiterin Evi Gräble-Kopp die Leitung des Projekts obliegt.
Es ist ein Projekt der Caritas-Konferenzen Markdorf, die wiederum dem Freiburger Diözesanverband der Caritas-Konferenzen (CKD) angehören. Zum Markenkern dieses Verbandes, der vor Kurzem sein 100-jähriges Bestehen feiern konnte, gehört die Ehrenamtlichkeit, bis hinauf zum Vorstand. Lediglich in der Geschäftsstelle in Freiburg sind hauptamtliche Ansprechpartnerinnen tätig. Damit verbunden ist das ausgeprägte Bewusstsein, dass diese Ehrenamtlichen ihre Zeit freiwillig an andere verschenken und daher auf keinen Fall ausgenutzt oder gar verheizt werden dürfen. Der Begriff "Konferenzen", so erklärt Gerda Dilger, beziehe sich nicht zuerst auf so etwas wie Sitzungen oder Zusammenkünfte. Vom lateinischen Ursprung des Wortes her gehe es vielmehr darum, etwas zusammenzubringen und zusammenzutragen, auch und gerade Begabungen. "Wir bündeln Talente", sagt die Projektleiterin.
Ein anspruchsvolles Unterfangen, das im Kleiderladen offensichtlich gut gelungen ist. Denn inzwischen engagieren sich rund 20 Mitarbeiterinnen in dem Projekt, die jeweils zu viert die anfallenden Arbeitsschichten im Laden und im Sortierraum abdecken. Conni Sinnwell zum Beispiel, die erst im vergangenen Jahr dazugestoßen ist. Sie suchte damals zusammen mit ihrem Sohn einen Sakko und ein Hemd für dessen Abiturfeier. Dabei wurde sie nicht nur fündig, sondern war auch beeindruckt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft im Laden. "Als ich hörte, dass Mitarbeiterinnen gesucht werden, habe ich mich gemeldet", sagt sie. "Da ich früher in einem Modegeschäft gearbeitet habe, passte das gut."
Oder Ursula Gropper. Ein früheres Engagement bei der Tafel ließ sich zeitlich nicht mehr mit ihrem Beruf unter der Woche vereinbaren. Im Kleiderladen hat sie die Möglichkeit, samstags mitzuarbeiten. Ebenso wichtig wie der Verkauf ist ihr der Kontakt zu den Kunden. "Wir sind hier mehr als nur ein Geschäft", so ihre Überzeugung, die sie mit allen anderen Mitarbeiterinnen teilt und die sozusagen zur "Philosophie" der Einrichtung gehört. "Der Laden sei ein Kommunikationsforum, ein Ort der Begegnung. "Viele kommen und wollen nichts kaufen, sondern reden. Das ist bei uns möglich."
Gerade das hat auch Lydia Stenger, die als "Markdorfer Urgestein" zu den Frauen der ersten Stunde bei der CKD und beim Kleiderladen gehört, des Öfteren erfahren. Nicht nur bei Kunden, sondern auch bei den Spenderinnen und Spendern von Kleidungsstücken. Nicht zuletzt bei Menschen, deren Partner oder Partnerin vor nicht allzu langer Zeit gestorben ist und die nach einer sinnvollen Verwendung für deren Kleidung suchen. "Sie erzählen uns von ihrer Trauer und davon, wie viel Kraft sie brauchen, um mit diesem Verlust umzugehen", sagt Lydia Stenger. "Das Allerwichtigste ist in diesem Fall das Zuhören." Und der würdige und respektvolle Umgang mit der Kleiderspende, wie Renate Ernet ergänzt, die ebenfalls zu den länger gedienten Mitarbeiterinnen im Kleiderladen gehört. "Die Menschen geben mit der Kleidung sozusagen ein Stück des Verstorbenen her."
Zu den Spendern gehören aber auch Leute, denen ihre Kleider schlicht nicht mehr passen, weil sie einige Kilo abgenommen haben und eine neue Größe benötigen. So wie die Dame, die an diesem Dienstagnachmittag extra aus Immenstaad hergekommen ist. Auch Schuhe hat sie mitgebracht. "Ein Fehlkauf" sagt sie. "Aber bevor ich die Sachen in einen Container werfe, bringe ich sie lieber hierher, wo sie besser aufgehoben sind." Und auch das gab es vor Kurzem: Ein Herrenausstatter aus Friedrichshafen schloss seine drei Geschäfte und stellte dem Kleiderladen einen Teil seiner Ware zur Verfügung, darunter nagelneue Anzüge. "Die haben wir sehr günstig angeboten, was den Männeranteil bei unserer Kundschaft stark erhöht hat", sagt Renate Ernet. So seien Menschen zu einem hochwertigen Anzug gekommen, den sie sich unter normalen Umständen nie hätten leisten können.
Die Anfänge des Markdorfer Kleiderladens liegen weit zurück. Es begann Ende der 1970-er Jahre mit einer im katholischen Pfarrzentrum von Markdorf eingerichteten Kleiderkammer für Bedürftige. Anders als damals ist die Kundschaft heute sehr vielfältig und kann keineswegs auf einen Nenner gebracht werden. Natürlich gehörten in der jüngsten Vergangenheit geflüchtete Menschen, vornehmlich aus Syrien, zu den häufigen Besuchern des Ladens. Und erwartungsgemäß finden sich regelmäßig sozial bedürftige Personen ein. Aber das Angebot richtet sich grundsätzlich an alle und die Erfahrung gerade der letzten Jahre zeigt, dass es immer mehr Leute gibt, die aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes ganz bewusst nach gebrauchter Kleidung suchen. Und noch eine Entwicklung ist für die Mitarbeiterinnen des Kleiderladens auffällig: Es kommen immer mehr "ganz junge" Kundinnen. "Sie suchen einfach durch und manches gefällt ihnen", stellt Lydia Stenger fest. Mit Zeit, Geduld und etwas Glück würden selbst modewusste Schülerinnen immer mal wieder fündig.
Der ökologische Gedanke und das Bedürfnis der weit verbreiteten Verschwendungsmentalität entgegenzuwirken, spielt inzwischen für alle Akteure des Kleiderladens eine wichtige Rolle. Für die Kunden, für die Mitarbeiterinnen und auch für den Diözesanverband der CKD, ohne dessen Unterstützung das Projekt nicht umsetzbar gewesen wäre. "Wir zahlen hier 1200 Miete kalt plus 300 Euro Nebenkosten", rechnet Gerda Dilger vor. Dieses Geld hatten wir anfangs nicht." Zudem habe es den Verantwortlichen vor Ort zunächst schlicht an Wissen gefehlt, um ein solches Unternehmen aufzubauen und zu führen. Die CKD-Diözesanstelle half sowohl bei der Anschubfinanzierung als auch bei der Vermittlung der wichtigsten Kompetenzen. Nicht zu vergessen das Angebot der "geistlichen" Unterstützung, beispielsweise in Form von "Oasentagen" zu denen die Mitarbeiterinnen eingeladen werden. Darüber hinaus wurden die Markdorfer CKD-Frauen als Betreiber des Ladens vom Diözesanverband ermuntert, sich Kooperationspartner zu suchen. Die fanden sie relativ problemlos - unter anderem in der Seelsorgeeinheit Markdorf, die offiziell als Träger der Einrichtung fungiert. Aber auch die Stadt, das katholische Dekanat Linzgau und die evangelische Gemeinde am Ort gehören zu den Unterstützern. Inzwischen trägt sich der Laden selbst. Mehr noch: Es gibt Überschüsse, die dann wiederum sozialen Zwecken zugeführt werden, zuletzt auch Hilfstransporten in die Ukraine. Nebenbei konnte der Kleiderladen immer wieder auch geflüchtete Menschen zur Mitarbeit motivieren und dadurch einen Beitrag zu deren Integration leisten.
Wer sich einige Stunden im Markdorfer Kleiderladen aufhält, das Kommen, Suchen, Kaufen und Gehen der ganz unterschiedlichen Menschen beobachtet und mit den Mitarbeiterinnen ins Gespräch kommt, denkt möglicherweise über diese Einrichtung hinaus an die kirchliche Entwicklung insgesamt. Vielleicht hat ein solches Projekt, wie überhaupt die "Philosophie" der Caritas-Konferenzen, modellhaften Charakter auch für die Pastoral: Auch diese wird in Zukunft in immer stärkerem Maße von Ehrenamtlichen getragen, die sich wiederum professionelle Unterstützung erhoffen - dann, wenn sie diese wünschen und anfragen.
Auch im Blick auf die Frage, ob und wie es möglich ist, diese Ehrenamtlichen zu gewinnen, wäre von den nunmehr über 100 Jahre alten Caritas-Konferenzen einiges zu lernen. Zum Beispiel, wie wichtig es ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wertschätzung erfahren - nicht nur mit Worten, sondern beispielsweise auch in Form von geselligen Unternehmungen, Feiern oder Essen, bei denen sich ein Team auch als Gemeinschaft erfahren kann und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt. Gerda Dilger zufolge wäre überdies noch viel stärker zu vermitteln, wie sehr Menschen infolge der Übernahme eines Ehrenamtes persönlich profitieren können, "wachsen" können.
So wie sie dies selbst erfahren hat. Denn die Leiterin des Kleiderladens war nicht immer so leidenschaftlich unterwegs und positiv gestimmt wie heute. Beruflich bei der Telekom in Ravensburg und Konstanz tätig, warf sie eine Erkrankung regelrecht aus der Bahn und zwang sie, frühzeitig in Rente zu gehen. "Ich bin damals in ein Loch gefallen", sagt Gerda Dilger rückblickend. Körperliche Symptome, die sie im Alltag belasteten, kamen dazu. Es sei das Ehrenamt gewesen, das sie wieder in die Spur gebracht habe. Zunächst beim klassischen Besuchsdienst der Caritas-Konferenzen am Ort, dann schließlich beim Kleiderladen. "Ich konnte mich wieder richtig freuen, habe mir immer mehr zugetraut und ein ganz neues Selbstwertgefühl entwickelt", sagt sie. "Dafür bin ich dankbar."
Caritas-Konferenzen
Im CKD-Diözesanverband sind rund 3000 Ehrenamtliche in 140 Gruppen in der Erzdiözese Freiburg aktiv. Sie engagieren sich in Kirchengemeinden, Altenpflegeheimen, Krankenhäusern und sozialen Projekten. Sie übernehmen sozial-caritative Aufgaben in selbständiger Verantwortung, unterstütz und begleitet vom ebenfalls ehrenamtlichen Vorstand des Diözesanverbandes und den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle. Grundsätzliches Ziel der CKD ist es, ein Netz der Aufmerksamkeit zu knüpfen für Menschen, die krank, arm, gebrechlich, einsam, trauernd, pflegebedürftig oder fremd sind. Dies geschieht vornehmlich durch Besuche oder durch die Schaffung von Treffpunkten, aber auch durch die Vermittlung an andere Stellen und durch die Schaffung von Öffentlichkeit für die Betroffenen du deren Probleme. Zum Selbstverständnis der CKD-Ehrenamtlichen gehört auch die gegenseitige Unterstützung, der Austausch und die geistliche Begleitung in der Gruppe.
Kleiderladen Markdorf
Der Kleiderladen in Markdorf hat derzeit drei Mal wöchentlich geöffnet: dienstags und mittwochs von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 14 Uhr.
Kontakt: CKD- Kleiderladen, Poststraße 12 88677 Markdorf, E-Mail: ckd-kleiderladen@se-markdorf.de, Telefon 0163 1449510 während der Öffnungszeiten.
Michael Winter
Redakteur Konradsblatt
